Am Zölibat hält die Kirche nicht zuletzt auch aus materiellen Gründen fest. Das Erbe der Priester fällt so an die Kirche zurück. Natürlich sind Menschen, die sich sexuell unterdrücken lassen auch leichter lenkbar und abhängiger.
Hubertus Mynarek war der erste überhaupt im 20. Jahrhundert, der als deutscher Professor der Theologie aus der Kirche austrat (1972). Wegen einer Frau allein muss kein Priester oder Bischof aus der Kirche austreten, sagte er, und es lag nicht in erster Linie am Zölibat. Der Klerus duldet sexuelle Verhältnisse, so lange der Priester bestimmte kirchliche Verhaltensregeln einhält. Mynarek hatte aber Glaubenszweifel und hat sich dann aus Protest eine Freundin genommen. Die Heuchelei ist das Schlimmste, sagte Hubertus Mynarek. Man beachte, Hubertus Mynarek war zeitweise Dekan der Theologischen Fakultät.
Hier ein Auszug von "blauenarzisse.de" - Interview mit Hubertus Mynarek.
Hubertus Mynarek, Jahrgang 1929, lehrte als Professor für Religionsphilosophie, Religionswissenschaft und Fundamentaltheologie an den Universitäten Bamberg und Wien. In Wien war er zeitweise Dekan der Theologischen Fakultät.
Mit einem Offenen Brief an den Papst trat er 1972 aus der katholischen Kirche aus. Mynarek gründete unter anderem die "Arbeitsgemeinschaft Christen in den Grünen". Heute zählt er zu den prominentesten deutschen Kirchenkritikern. BlaueNarzisse.de sprach mit ihm über das Zölibat, Priesterseminare und seine Kritik an den Machtstrukturen der Kirche.
BlaueNarzisse.de: Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche stehen momentan in Deutschland unter starker Kritik. Margot Käßmann trat am 23. Februar von ihrem Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands aufgrund Alkoholmissbrauchs zurück. Im Kloster Ettal, bei den Regensburger Domspatzen und dem Berliner Canisius-Kolleg sollen katholische Geistliche Kinder missbraucht haben. Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Kirchen in Deutschland?
Hubertus Mynarek: Mit Sicherheit bescheiden. Bei der katholischen Kirche ist das Problem natürlich noch etwas anders gelagert. Denn dort schafft das Zölibat für Priester und auch Nonnen eine Zwangssituation. Diese Eindämmung des Sexualtriebs sorgt dafür, dass diese Leute sich viel eher Kindern zuwenden. Denn ein erotisches Verhältnis mit einer Frau ist ihnen ja verboten und sie würden sich das auch nicht trauen.
Wenn sie denn in die Situation kommen, dass sie im Verein oder in Erziehungsheimen Kindern oder Jugendlichen gegenüber stehen, sind sie vielmehr in der Gefahr sich Schwächeren sexuell zu nähern, als wenn sie Erwachsenen gegenüber stehen. Damit stellt das Zölibat eine gewisse Brücke zur Pädophilie dar.
"Gegenüber Erwachsenen würden junge Priester keine Übergriffe wagen"
Im Priesterseminar, also der Ausbildung zum Pfarrer, existieren drei Gruppen. Zum einen tritt dort eine kleine idealistische Gruppe ein, die das Zölibatsgesetz der Kirche halten will. Die zweite Gruppe sind Menschen mit homosexuellen Neigungen. Im Priesterseminar haben sie nun viel größere Möglichkeiten an Gleichgesinnte heranzukommen. Und die dritte Gruppe sind die, die in ihrer sexuellen Orientierung noch nicht "voll entschieden" sind, um das Bewertungskriterium der Kirche anzuwenden. Die Situation im Priesterseminar ist dann natürlich ein mächtiger Hebel dafür, dass man sich für den homosexuellen Weg entscheidet.
Nun ist es aber so, dass ein gewisser Prozentsatz noch infantil und charakterlich nicht ausgereift ist. Dieser Prozentsatz denkt, er würde im Priesterseminar seine charakterliche und sexuelle Reife erhalten.
Doch das Priesterseminar bietet dafür keine Atmosphäre. Im Gegenteil: dadurch sind die infantilen Typen nach der Priesterweihe noch viel eher in der Gefahr, sich eben an den Schwächsten der Schwachen zu vergreifen. Denn gegenüber Erwachsenen würden junge Priester solche sexuellen Übergriffe keinesfalls wagen.
Der Augsburger Bischof Walter Mixa macht auch die 68er für Vorfälle sexuellen Missbrauchs innerhalb der Kirche verantwortlich. Nicht zuletzt die von ihnen verlangte "sexuelle Revolution" habe zu viele Tabus gebrochen und trage damit eine Mitschuld. Wie bewerten Sie diese These?
Das ist eine völlig irrige These. Denn wenn sie die Historie der katholischen Kirche studieren, so zieht sich durch sie ein roter Faden von Kindes– und Jugendlichenmissbrauch.
Außerdem wurde die Revolution von 1968 im Priesterseminar ja nur sehr entfernt wahrgenommen. Denn dort wurde einfach kaum auswärtige Presse gelesen. Die Lektüre war zwar auch nicht verboten, das breite Angebot der handelsüblichen Medien gab es aber meistens einfach nicht hinter den Mauern des Priesterseminars.
In Deutschland ist die Situation natürlich besonders: wenn man Theologie an einer Universität studiert, wohnt man als angehender Priester in einem Konvikt, also einem kirchlichen Internat. Dort geht es natürlich freier zu. Aber in den meisten Ländern des "orbis catholicus" (katholische Welt) bleiben die Leute fünf bis sechs Jahre hinter den Mauern des Priesterseminars. Sie bekommen bis auf Urlaub kaum eine Frau zu sehen. Sie sind eingeschlossen.
In Ihrem Artikel im "Neuen Deutschland" vom 5. März 2010 greifen Sie das Zölibat an. Ist es Ihrer Meinung untrennbar mit der katholischen Religion verbunden? Oder ist auch ein katholischer Priester ohne Zölibat vorstellbar?
Ein gewisser Prozentsatz der Priester, 30 bis 50 Prozent, hat trotz des Zölibats heimlich eine Freundin. Man kann es eigentlich auch dritteln: 30 Prozent Homosexuelle, ein Drittel, die das Priesterseminar erdulden. Letztere halten fünf bis sechs Jahre durch und dann nehmen sie sich eine hübsche Haushälterin. 15 Prozent höchstens sind so geartet, dass sie entweder ein schwaches Sexualleben haben oder aber, wie die Kirche das sagt, den Sieg des Geistes über die Sexualität davontragen.
Das Zölibat selbst ist nicht untrennbar mit der Kirche verbunden. Es wurde in den ersten Jahrhunderten des Christentums überhaupt nicht befohlen. Im ersten Jahrtausend nach Christus gab es immer mal wieder Synoden, also regionale kirchliche Erlässe, dazu. Als allgemein gültiges Kirchengesetz wurde es erst 1139 eingeführt. Ein ganzes Jahrtausend kam die Kirche ohne das Zölibatsgesetz aus. Trotzdem haben bestimmte Bistümer weiterhin den sogenannten Hurenzins erhoben. Die Bischöfe glaubten einfach nicht an die Keuschheit ihrer Priester.
Nicht zuletzt erließ die Kirche das Zölibat vor allem aus materiellen Gründen.
Immer wenn ein Priester starb, bekamen die Kinder des Priesters das Erbe. Durch die Einführung des Zölibatgesetzes musste das Pfarrgut und Erbe jedoch wieder an die Kirche zurückfallen. Das Zölibat wurde also aus Erbschaftsgründen und finanziellen Gründen erlassen.
Natürlich hat die Kirche dies dann ideologisch mit der einem Priester gebotenen Keuschheit begründet, weil er doch in der Messe den Leib und das Blut des Herrn berühre. Der eigentliche Grund aber war das Vermögen der verstorbenen Priester. Das Zölibat ist also keineswegs an die Kirche und das Christentum als solches gebunden.
[...]
Sie selbst sind 1972 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Was waren damals Ihre Beweggründe?
Bei mir lag das nicht in erster Linie am Zölibat. Ich war der erste überhaupt im 20. Jahrhundert, der als deutscher Professor der Theologie aus der Kirche austrat. Wegen einer Frau allein muss kein Priester oder Bischof aus der Kirche austreten. Solange er wiederkäut, was die Vorgesetzten sagen und predigen, duldet der Klerus seine sexuellen Verhältnisse. Ich aber hatte Glaubenszweifel und habe mir dann aus Protest eine Freundin genommen. Und ich war damals Dekan der theologischen Fakultät.
Ich wollte etwas gegen diese Heuchelei tun. Und das Zölibat ist vor allem eine strukturell verankerte Heuchelei. Denn in der Praxis wird es kaum umgesetzt. Im Hintergrund haben viele Priester und Bischöfe ihre Verhältnisse, ob hetero– oder homosexuell. Ich wollte mich mit meinem Austritt gegen diese strukturell verankerte Heuchelei und die Machtstrukturen der Kirche im generellen wenden. Das Zölibat ist nur ein Teil dieser Strukturen – wenn auch ein besonders einschneidender Teil.
Herr Mynarek, vielen Dank für das Gespräch!
Publikation zum Thema:
Herren und Knechte der Kirche (2010). 419 Seiten. 24,80 Euro.
Eros und Klerus. Das Elend des Zölibats (1999). 216 Seiten. 25 Euro.
Casanovas in Schwarz (2000). 180 Seiten. 18,50 Euro.
Jesus und die Frauen (2008). 200 Seiten. 18 Euro.
http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/1434
Gruß Hubert
Hubertus Mynarek war der erste überhaupt im 20. Jahrhundert, der als deutscher Professor der Theologie aus der Kirche austrat (1972). Wegen einer Frau allein muss kein Priester oder Bischof aus der Kirche austreten, sagte er, und es lag nicht in erster Linie am Zölibat. Der Klerus duldet sexuelle Verhältnisse, so lange der Priester bestimmte kirchliche Verhaltensregeln einhält. Mynarek hatte aber Glaubenszweifel und hat sich dann aus Protest eine Freundin genommen. Die Heuchelei ist das Schlimmste, sagte Hubertus Mynarek. Man beachte, Hubertus Mynarek war zeitweise Dekan der Theologischen Fakultät.
Hier ein Auszug von "blauenarzisse.de" - Interview mit Hubertus Mynarek.
Hubertus Mynarek, Jahrgang 1929, lehrte als Professor für Religionsphilosophie, Religionswissenschaft und Fundamentaltheologie an den Universitäten Bamberg und Wien. In Wien war er zeitweise Dekan der Theologischen Fakultät.
Mit einem Offenen Brief an den Papst trat er 1972 aus der katholischen Kirche aus. Mynarek gründete unter anderem die "Arbeitsgemeinschaft Christen in den Grünen". Heute zählt er zu den prominentesten deutschen Kirchenkritikern. BlaueNarzisse.de sprach mit ihm über das Zölibat, Priesterseminare und seine Kritik an den Machtstrukturen der Kirche.
BlaueNarzisse.de: Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche stehen momentan in Deutschland unter starker Kritik. Margot Käßmann trat am 23. Februar von ihrem Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands aufgrund Alkoholmissbrauchs zurück. Im Kloster Ettal, bei den Regensburger Domspatzen und dem Berliner Canisius-Kolleg sollen katholische Geistliche Kinder missbraucht haben. Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Kirchen in Deutschland?
Hubertus Mynarek: Mit Sicherheit bescheiden. Bei der katholischen Kirche ist das Problem natürlich noch etwas anders gelagert. Denn dort schafft das Zölibat für Priester und auch Nonnen eine Zwangssituation. Diese Eindämmung des Sexualtriebs sorgt dafür, dass diese Leute sich viel eher Kindern zuwenden. Denn ein erotisches Verhältnis mit einer Frau ist ihnen ja verboten und sie würden sich das auch nicht trauen.
Wenn sie denn in die Situation kommen, dass sie im Verein oder in Erziehungsheimen Kindern oder Jugendlichen gegenüber stehen, sind sie vielmehr in der Gefahr sich Schwächeren sexuell zu nähern, als wenn sie Erwachsenen gegenüber stehen. Damit stellt das Zölibat eine gewisse Brücke zur Pädophilie dar.
"Gegenüber Erwachsenen würden junge Priester keine Übergriffe wagen"
Im Priesterseminar, also der Ausbildung zum Pfarrer, existieren drei Gruppen. Zum einen tritt dort eine kleine idealistische Gruppe ein, die das Zölibatsgesetz der Kirche halten will. Die zweite Gruppe sind Menschen mit homosexuellen Neigungen. Im Priesterseminar haben sie nun viel größere Möglichkeiten an Gleichgesinnte heranzukommen. Und die dritte Gruppe sind die, die in ihrer sexuellen Orientierung noch nicht "voll entschieden" sind, um das Bewertungskriterium der Kirche anzuwenden. Die Situation im Priesterseminar ist dann natürlich ein mächtiger Hebel dafür, dass man sich für den homosexuellen Weg entscheidet.
Nun ist es aber so, dass ein gewisser Prozentsatz noch infantil und charakterlich nicht ausgereift ist. Dieser Prozentsatz denkt, er würde im Priesterseminar seine charakterliche und sexuelle Reife erhalten.
Doch das Priesterseminar bietet dafür keine Atmosphäre. Im Gegenteil: dadurch sind die infantilen Typen nach der Priesterweihe noch viel eher in der Gefahr, sich eben an den Schwächsten der Schwachen zu vergreifen. Denn gegenüber Erwachsenen würden junge Priester solche sexuellen Übergriffe keinesfalls wagen.
Der Augsburger Bischof Walter Mixa macht auch die 68er für Vorfälle sexuellen Missbrauchs innerhalb der Kirche verantwortlich. Nicht zuletzt die von ihnen verlangte "sexuelle Revolution" habe zu viele Tabus gebrochen und trage damit eine Mitschuld. Wie bewerten Sie diese These?
Das ist eine völlig irrige These. Denn wenn sie die Historie der katholischen Kirche studieren, so zieht sich durch sie ein roter Faden von Kindes– und Jugendlichenmissbrauch.
Außerdem wurde die Revolution von 1968 im Priesterseminar ja nur sehr entfernt wahrgenommen. Denn dort wurde einfach kaum auswärtige Presse gelesen. Die Lektüre war zwar auch nicht verboten, das breite Angebot der handelsüblichen Medien gab es aber meistens einfach nicht hinter den Mauern des Priesterseminars.
In Deutschland ist die Situation natürlich besonders: wenn man Theologie an einer Universität studiert, wohnt man als angehender Priester in einem Konvikt, also einem kirchlichen Internat. Dort geht es natürlich freier zu. Aber in den meisten Ländern des "orbis catholicus" (katholische Welt) bleiben die Leute fünf bis sechs Jahre hinter den Mauern des Priesterseminars. Sie bekommen bis auf Urlaub kaum eine Frau zu sehen. Sie sind eingeschlossen.
"Die 68er haben damit nichts zu tun"
Die 68er aber waren nur isolierte regionale Phänomene, die Priesterseminare kaum beeinflusst haben. Ein viel größerer Zusammenhang besteht zwischen Kindesmissbrauch und den zölibatären Strukturen sowie der Homosexualität. Denn die jungen Priester sind viel zu schüchtern, sich an Erwachsene heran zu trauen. Sie wenden sich also an die Schwächsten der Schwachen. Die 68er haben damit freilich nichts zu tun.In Ihrem Artikel im "Neuen Deutschland" vom 5. März 2010 greifen Sie das Zölibat an. Ist es Ihrer Meinung untrennbar mit der katholischen Religion verbunden? Oder ist auch ein katholischer Priester ohne Zölibat vorstellbar?
Ein gewisser Prozentsatz der Priester, 30 bis 50 Prozent, hat trotz des Zölibats heimlich eine Freundin. Man kann es eigentlich auch dritteln: 30 Prozent Homosexuelle, ein Drittel, die das Priesterseminar erdulden. Letztere halten fünf bis sechs Jahre durch und dann nehmen sie sich eine hübsche Haushälterin. 15 Prozent höchstens sind so geartet, dass sie entweder ein schwaches Sexualleben haben oder aber, wie die Kirche das sagt, den Sieg des Geistes über die Sexualität davontragen.
Das Zölibat selbst ist nicht untrennbar mit der Kirche verbunden. Es wurde in den ersten Jahrhunderten des Christentums überhaupt nicht befohlen. Im ersten Jahrtausend nach Christus gab es immer mal wieder Synoden, also regionale kirchliche Erlässe, dazu. Als allgemein gültiges Kirchengesetz wurde es erst 1139 eingeführt. Ein ganzes Jahrtausend kam die Kirche ohne das Zölibatsgesetz aus. Trotzdem haben bestimmte Bistümer weiterhin den sogenannten Hurenzins erhoben. Die Bischöfe glaubten einfach nicht an die Keuschheit ihrer Priester.
"Die Kirche erließ das Zölibat aus materiellen Gründen"
Nicht zuletzt erließ die Kirche das Zölibat vor allem aus materiellen Gründen.
Immer wenn ein Priester starb, bekamen die Kinder des Priesters das Erbe. Durch die Einführung des Zölibatgesetzes musste das Pfarrgut und Erbe jedoch wieder an die Kirche zurückfallen. Das Zölibat wurde also aus Erbschaftsgründen und finanziellen Gründen erlassen.
Natürlich hat die Kirche dies dann ideologisch mit der einem Priester gebotenen Keuschheit begründet, weil er doch in der Messe den Leib und das Blut des Herrn berühre. Der eigentliche Grund aber war das Vermögen der verstorbenen Priester. Das Zölibat ist also keineswegs an die Kirche und das Christentum als solches gebunden.
[...]
Kann man denn in diesem Fall überhaupt noch von einer Trennung von Staat und Kirche sprechen?
In Wirklichkeit ist die katholische Kirche eine Staatskirche. Der Religionsunterricht müsste zum Beispiel in der Kirche stattfinden. Aber auch der katholische Religionslehrer wird noch vom Staat bezahlt.Sie selbst sind 1972 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Was waren damals Ihre Beweggründe?
Bei mir lag das nicht in erster Linie am Zölibat. Ich war der erste überhaupt im 20. Jahrhundert, der als deutscher Professor der Theologie aus der Kirche austrat. Wegen einer Frau allein muss kein Priester oder Bischof aus der Kirche austreten. Solange er wiederkäut, was die Vorgesetzten sagen und predigen, duldet der Klerus seine sexuellen Verhältnisse. Ich aber hatte Glaubenszweifel und habe mir dann aus Protest eine Freundin genommen. Und ich war damals Dekan der theologischen Fakultät.
"Viele Priester und Theologieprofessoren hatten eine Freundin"
Ein Bischof in Wien sagte mir einst: "Bis zur Verlobung ist es kein Problem, nur heiraten darfst Du sie nicht. Du kannst Dich ja immer noch von ihr trennen, wenn Du sie über hast." Ich fand das unglaublich. Das sexuelle Übertreten des Zölibats stellt doch kein Vergehen dar. Die Heuchelei ist das Schlimmste. Ich bin damals zu den Wiener Universitätsbällen mit meiner Freundin gegangen – zum Ärger des Klerus und der Theologieprofessoren. Ich wusste aber von der Mehrheit der Theologen meiner Fakultät, dass sie ihre Bräute versteckten. Nur sie verließen nicht mit ihr das Haus. Ihre Frauen wurden quasi abgestellt.Ich wollte etwas gegen diese Heuchelei tun. Und das Zölibat ist vor allem eine strukturell verankerte Heuchelei. Denn in der Praxis wird es kaum umgesetzt. Im Hintergrund haben viele Priester und Bischöfe ihre Verhältnisse, ob hetero– oder homosexuell. Ich wollte mich mit meinem Austritt gegen diese strukturell verankerte Heuchelei und die Machtstrukturen der Kirche im generellen wenden. Das Zölibat ist nur ein Teil dieser Strukturen – wenn auch ein besonders einschneidender Teil.
Herr Mynarek, vielen Dank für das Gespräch!
Publikation zum Thema:
Herren und Knechte der Kirche (2010). 419 Seiten. 24,80 Euro.
Eros und Klerus. Das Elend des Zölibats (1999). 216 Seiten. 25 Euro.
Casanovas in Schwarz (2000). 180 Seiten. 18,50 Euro.
Jesus und die Frauen (2008). 200 Seiten. 18 Euro.
http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/1434
Gruß Hubert